Mit der Aufnahme eines Pflegekindes und der Bestrebung, dem Kind nach seiner schlimmen Erfahrung und den schwierigen Startbedingungen ins Leben eine neue Perspektive und Richtung geben zu wollen, ändert sich erstmal alles. Die Pflegefamilie steht vor einer Reihe von unbekannten Herausforderungen und dem ehrbaren und gleichzeitig unmöglichen Anspruch, alles richtig machen zu wollen. Zusammenarbeit mit dem Jugendamt, Umgang mit den leiblichen Eltern, Vormundschaft, Trennung/Aufnahme leiblicher Geschwister, Integration in die eigene Familie, Rivalität unter Pflege- und leiblichen Kindern und noch viele weitere Fragestellungen kommen auf die Pflegefamilie hinzu. Es ist ein Prozess, sich mit dieser neuen Rolle anzufreunden, allmählich in sie hineinzuwachsen und leben zu lernen.
Alles, was sich extrem schmerzhaft und nicht leicht überwindbar anfühlt, bedeutet eine Reaktivierung alter unverheilter Verletzungen. Es ist die Einladung vom Leben, dort hinzuschauen, zu transformieren und ein Stück in die Heilung gehen zu dürfen. Das Pflegekind als "Auslöser" hat zudem selbst einen ganzen Rucksack voll seelischer Wunden. So kann das gegenseitige unbewusste Wieder-Verletzen das Erleben dieser neuen Gemeinschaft als besonders schwierig und manchmal auch als unmöglich empfunden werden. Die Bewusstwerdung über die eigenen Schmerz-Themen, unbedingte Selbstfürsorge und externe Unterstützung für das Kind tragen dazu bei, dass ein Leben mit einem Pflegekind gelingen und in Freude gelebt werden kann.
Alle Kinder brauchen glückliche und zufriedene Eltern, die sich selbst versorgen und sich um sich selbst kümmern können. Nur so kann es gelingen, dass Kinder ihre Rolle als Kind leben und sich als eigenständige Persönlichkeiten entwickeln können. Nicht selten lebt ein Kind unter seinem eigenen Potenzial und opfert selbstwirksame Anteile, um Unzulänglichkeiten und emotionale Defizite der Eltern auszugleichen. Ganz automatisch bezieht ein Kind alles auf sich, übernimmt Verantwortung, wenn es die Erwachsenen nicht leisten können oder nimmt sich zurück, wenn Eltern überfordert sind. Jedes Kind ist individuell und reagiert auch individuell. Doch eines ist allen gleich, sie passen sich auf innere und äußere Konflikte ihrer Eltern an. Sie können einfach gar nicht anders, sie wollen ihre Eltern retten, auffangen und vor Leid bewahren.
Ein Pflegekind hat bereits eine Vorgeschichte und meist schon Überlebens- und Anpassungsstrategien entwickelt, um eine extrem belastende Situation aushalten zu können. Um diese Prägungen umkehrbar zu machen, benötigt es viel Zeit und Geduld. Vor allem aber bedeutet es eine absolute Entlastung, wenn sie nicht in neue Rollenbilder schlüpfen müssen, wenn sie erleben und spüren dürfen, dass sie Kind sein dürfen und ihre neuen Bezugspersonen nicht beeltern müssen. Die Verantwortung zur absoluten Selbstfürsorge ist somit unumgänglich. Erst wenn man bei sich selbst ankommt, in Aufarbeit geht und sich in Liebe annehmen kann, ist es überhaupt erst in der Tiefe möglich, für jemand anderen authentisch mit offenem und liebevollem Herzen präsent zu sein. Erst dann kann man dem Pflegekind ein Zuhause schaffen, das sich wirklich sicher, geborgen und verlässlich anfühlt.
Wie oben eingangs erwähnt, ist es absolut auszuschließen, keine Fehler zu machen. Alle Eltern machen Fehler und das ist völlig in Ordnung. Ihr Handeln und Verhalten ist, bis zu dem Zeitpunkt der Auseinandersetzung damit, maßgeblich von ihren eigenen Kindheitserfahrungen geprägt. Würden also auch trotz Selbstreflexion und Aufarbeit keine Fehler mehr geschehen, diese nicht über Generationen vererbt werden, und würde dem Kind komplett adäquate emotionale Versorgung zuteil, würde es keinen Heilungsweg für die Seele des Kindes in diesem Leben benötigen. Aus evolutionärer Sicht würde es keine Weiterentwicklung, sondern Stillstand bedeuten. Fehler machen bedeutet Mensch-Sein und der Mensch als Lebewesen dieses Kosmos bedeutet in sich Fehlbarkeit.
Neben dieser rein spirituell-philosophischen Sichtweise spielen natürlich weitaus greifbarere Faktoren eine Rolle. Wie seelisch verletzbar ein Mensch ist, hängt davon ab, wie stark einschneidend nicht angemessen gelungene kindliche Entwicklungsphasen prägen, was wiederum davon abhängt, mit welchem Generationenerbe und mit welchem Genmaterial ein Mensch sein Leben in dieser Welt antritt. Zu glauben also, das Kind allein durch eigenes Wirken retten, heilen und beschützen zu können, wäre zu einfach und würde nicht zuletzt eine schwere Bürde bedeuten. Tatsache ist, dass die Beeinflussbarkeit begrenzt ist. Alles, was wirklich getan werden kann, ist im Rahmen der eigenen Möglichkeiten Verantwortung für sein eigenes Leben zu übernehmen, und mit voller Präsenz und Liebe da zu sein.
Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen
Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte prüfen Sie die Details und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.